Ich kann das doch nicht alles hinschmeißen! Oder doch?
- Merle Reimers

- 19. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Boom. Da ist er – der Gedanke, der wie ein Vorschlaghammer durch deinen Kopf rauscht. Vielleicht mitten in einem endlosen Zoom-Call.
Oder morgens um 7:03 Uhr, wenn du mit müden Augen in dein Bad starrst und dich fragst: War’s das jetzt wirklich? So sieht mein Leben also aus...
Und dann…
Kommt der Bullshit-Gedanke:
„Ich kann das doch nicht alles hinschmeißen.“
Warum eigentlich nicht?
Weil du Verantwortung trägst? Weil du Angst hast? Weil du glaubst, du darfst nicht unzufrieden sein – weil es anderen ja auch nicht besser geht?
Lass uns heute mal ganz ehrlich schauen, was hinter diesem Gedanken steckt. Und wie du da rauskommst – ohne gleich alles zu sprengen.

Warum du Angst davor hast alles hinzuschmeißen
Der Satz „Ich kann das doch nicht alles hinschmeißen“ ist kein logisches Argument. Er ist eine emotionale Notbremse. Ein verzweifelter Versuch deines inneren Systems, die Kontrolle zu behalten – obwohl längst nichts mehr kontrollierbar wirkt.
Dahinter steckt oft:
Angst vor Ablehnung: Was denken andere, wenn ich hinschmeiße?
Perfektionismus: Ich darf doch keine Schwäche zeigen.
Loyalität: Ich will niemanden enttäuschen.
Verlustangst: Was, wenn ich danach gar nichts mehr habe?
Aber weißt du, was in Wahrheit darunter liegt?
Ein tiefes Bedürfnis nach Freiheit, nach Sinn, nach Leben.
Und du versuchst es zu unterdrücken. Mit Routinen, mit To-do-Listen, mit Netflix und Next Steps.
Doch Bedürfnisse lassen sich nicht wegsortieren. Sie schreien irgendwann. Und das tun sie gerade. Deshalb liest du das hier.
Warum wir lieber festhalten als loslassen
Die Psychologie kennt das als „Status-quo-Bias“ – also die Tendenz, Dinge lieber so zu lassen, wie sie sind, selbst wenn sie uns unglücklich machen. Denn Veränderung ist mit Unsicherheit verbunden. Und Unsicherheit? Mag unser Gehirn gar nicht. Dann bleiben wir doch lieber bei dem was uns Bekannt ist, auch wenn es uns schmerzt – denn der ist uns wenigstens bekannt.
Dazu kommt das „Commitment-Bias“: Je länger du schon in etwas drinsteckst (Job, Beziehung, Verpflichtung), desto schwerer fällt es, loszulassen. Obwohl du längst weißt, dass es dich nicht erfüllt. Wahrscheinlich hast du schon am zweiten Tag auf Arbeit, in der Beziehung, oder an einem Ort gewusst, dass sich etwas nicht richtig anfühlt.
Aber hier ist die Wahrheit:
Dein Gehirn will nicht, dass du glücklich bist. Es will, dass du sicher bist.
Deshalb sabotiert es dich mit Gedanken wie „Ich kann das doch nicht machen.“
Doch was wäre, wenn genau DAS der erste Schritt zu mehr Selbstfürsorge ist?
Die harte Wahrheit: Du bist nicht verpflichtet, unglücklich zu bleiben
Es gibt einen Unterschied zwischen Verantwortung übernehmen – und dich selbst aufgeben.
Vielleicht denkst du gerade:
Was ist, wenn ich andere enttäusche?
Wenn ich finanziell nicht klarkomme?
Wenn ich danach keine neue Aufgabe finde?
All das sind legitime Gedanken. Aber sie dürfen nicht die einzigen Stimmen in deinem Kopf sein. Wo ist deine eigene Stimme? Die, die flüstert: "Ich kann nicht mehr. Ich will da raus. Ich will was Neues."
Du musst nicht dein ganzes Leben hinschmeißen. Aber du darfst neu sortieren. Stück für Stück.
Du darfst Grenzen setzen. Du darfst dich entscheiden. Du darfst dich verändern.
Praktische Übung: Dein ehrlicher Reality-Check
Nimm dir heute 10 Minuten. Nimm ein Blatt Papier oder dein Journal.
Schreibe den Satz: „Ich kann das doch nicht alles hinschmeißen, weil…“
Lass deine Gedanken fließen. Alles raus.
Jetzt schreibe: „Und wenn ich es trotzdem tun würde…“
Was wäre möglich? Wie würdest du dich fühlen? Was würde entstehen?
Und dann frage dich ganz ehrlich:
Welchen Preis zahle ich, wenn ich nichts verändere?
Das ist radikale Ehrlichkeit. Und die tut weh. Aber sie macht dich frei.
Was kannst du konkret tun?
1. Sprich aus, was ist
Such dir eine Freundin, einen Coach oder eine leere Sprachnachricht. Sprich aus, was dich belastet. Das ist kein Gejammer – das ist Klarheit schaffen.
2. Definiere deine Bedürfnisse
Was fehlt dir gerade am meisten? Freiheit, Ruhe, Kreativität, Inspiration, Sicherheit? Schreibe es dir auf. Klarheit über deine Bedürfnisse ist die Grundlage jeder Entscheidung.
3. Setze Micro-Changes
Du musst nicht kündigen oder alles hinschmeißen. Aber du darfst kleine Entscheidungen treffen:
Ein freier Nachmittag pro Woche
Ein ehrliches Gespräch mit deiner Führungskraft
Eine Weiterbildung in dem, was dich wirklich interessiert
4. Erlaube dir Unzufriedenheit
Du darfst unzufrieden sein. Du darfst das sogar laut sagen. Veränderung beginnt, wenn wir aufhören, gegen unsere Gefühle anzukämpfen.
5. Hol dir Unterstützung
Du musst da nicht allein durch. Coaching, Mentoring, Austausch mit Gleichgesinnten – es gibt Wege raus. Du darfst sie gehen.
Was, wenn du’s DOCH hinschmeißen darfst?
Der Gedanke "Ich kann das doch nicht alles hinschmeißen" ist keine Wahrheit. Er ist ein Schutzmechanismus.
Aber du bist heute hier, weil irgendwas in dir mehr will. Mehr Lebendigkeit, mehr Raum, mehr Sinn.
Und weißt du was? Das ist nicht egoistisch. Das ist gesund.
Also frag dich nicht länger, ob du darfst. Frag dich lieber:
Was passiert, wenn ich es nicht tue?
Dein Leben ist keine Verpflichtung. Es ist deine Bühne. Deine Entscheidung. Dein Moment. Also lauf los und pack es mit beiden Händen an!




Kommentare